Wie romantisch sind die Wallanlagen?

„Zurück zur Natur“ –  berühmtes Diktum von Jean-Jacques Rousseau gilt als eine gedankliche Grundlage für die Umwandlung der Wallanlagen – von Mauern zu Gärten. Dieses  Motiv war Ausgangspunkt für angewandtes Romantisieren mit Björn Wissenbach – im Rahmen des großen Literaturfestivals „Was wir suchen ist Alles“ im Literaturhaus Frankfurt ging es raus in die urbane Natur. Der wohl romantischste Bewohner der Wallanlagen ist Anton Kirchner. Seine Büste steht in der Eschenheimer Anlage. Der Gelehrte verfasste 1818 die „Ansichten von Frankfurt am Main und seiner Umgegend“, in denen er auch die Wallanlagen beschreibt.

Über die Obermainanlage schreibt er 1818: „Wenn man sich am Obermainthor links wendet, so trifft man auf ein unscheinbares Gebüsch, welches keinen so reizenden Lustweg vermuthen lässt. Ist man eingetreten, so zeigen sich gleich zwei sanftgebogene Wege. Der eine links führt durch einen offenen mit mannigfachen Bäumen angepflanzten Hain, wo links eine gut geordnete Verpflanzung den ehemaligen Wollgraben künstliche deckt, rechts aber dem Auge durch hohe Bäume eine herrliche Aussicht  nach dem sogenannten Fischerfelde und der entfernteren Gegend bis Hanau bleibt. Gerade vor uns scheint es, wolle das dichte Gehölz uns den Weg versperren, aber bei dem Eintritte in das Gebüsch wird man von einem prachtvollen Salon von Hängebirken (Betula alba pendula) überrascht, der ungeregelt und mit Gruppen von Rothtannen, (Pinus picea) vermischt ist, die hier eine gute Wirkung hervorbringen. Zur linken Seite zeigt sich dann eine dichte Verpflanzung von seltnen Nadelhölzern, aus welcher auf vier Säulen ein leerer Halbtempel hervorragt. Hier ruht, seinem Wunsche gemäs, der Stifter dieser Anlagen von einem menschenfreundlichen und thätigen Leben aus. Freunde wollen ihm noch ein Denkmal setzen, und Dichter haben mit einer Grabschrift gedroht. Aber Denkmal und Grabschrift stehen ja schon da; stehen an der großen Straße des Lebens, wo täglich hunderte vorüber gehen, und mit gerührtem Herzen den Namen des Geschiedenen lesen. – Diese freundlichen Gänge, welche die Müden in ihren kühlenden Schatten rufen, sind sie denn nicht das Ebenbild seines Gemüths, sind sie nicht der Abdruck seiner Seele?“
Kirchner, Anton: Ansichten von Frankfurt am Main, Frankfurt 1818, S. 20f

Gemeint ist mit der letzten romantisierenden Beschreibung das Grab von Jakob Guiollett, dem die Umwandlung der Wallanlagen zu verdanken sind. Ihm kam die Ehre zuteil, nicht auf dem Friedhof, sondern in den Wallanlagen – seinem Lebenswerk – begraben zu sein.  Sein Denkmal steht in der Taunusanlage.

Wichtigstes Merkmal der romantischen Wallanlagen ist der gärtnerische Grundgedanke: Der Stadtgärtner Sebastian Rinz, der in der Friedberger Anlage zu bewundern ist, legte die ersten Gärten und Promenaden 1808-1812 nach dem Vorbild des Englischen Gartenstils an. Wie romantisch sie heute noch empfunden werden, ist umstritten – je nach Nutzertyp.

Wer mehr Romantik möchte – das Festival „Was wir suchen, ist Alles“ dauert nur noch bis morgen! Hingehen!

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